Alassio, Donnerstag (Brief): KAH in München

Alassio, den 6. Mai 1937.
Mein lieber, lieber Karl! Mein Alles!
Deinen lieben Brief habe ich erhalten. Rege Dich nur ja über Papa u. die Fr. Kleine nicht auf. Hoffentlich hast Du Papa richtig geantwortet und außerdem werde ich ihm den Kopf schon zurechtsetzen über diesen und andere Punkte, wenn ich wieder zurück bin. Eine kleine Rache für den Brief mußten wir ja schließlich erwarten. Alles andere überlasse nur mir. Ich will nur brieflich nichts mit Papa verhandeln. Und das Gesicht –
nun ja das kennen wir ja doch schon – anderen macht er es auch nicht besser. Von einem Geschäftsmann, der keine geistigen Interessen hat kannst Du doch auch nie Verständnis finden. Die Hauptsache ist, daß wir zwei zusammenhalten. Und Du zweifelst doch nicht an mir, daß ich nur mit ganzem Herzen auf Deiner Seite stehe und nur mit u. für Dich kämpfe. Wir zwei bleiben zusammengewachsen, da kann niemand etwas machen. Bitte, bitte mache dir für den 9. Mai keine Hoffnung, wenn dein Werk auch tausendmal das beste ist, so werden genügend dafür sorgen, daß es nicht durchkommt. Es ist zu wenig Aussicht vorhanden. Laß Dich deshalb nicht beirren und bleibe mir. Ich flehe Dich an, Dich für mich zu erhalten. Ich liebe und verehre Dich doch so sehr. Mein lieber Karl, es kommt gar nicht in Frage, daß ich länger bleibe. Ich will wieder zu Dir. Ich habe mich bis jetzt schon ganz gut erholt und bis in zehn Tagen fühle ich mich noch viel besser. In Junkersdorf kommt dann die Nacherholung. Hier gibt es nichts neues. Am Montag möchte ich nach Monte Carlo einen Ausflug machen, erzähle aber hiervon meinen Leuten nichts. Heute habe ich das erstemal gebadet, weil es so heiß war, daß es sonst nicht auszuhalten gewesen wäre. Richard geht seit neuestem ins Wasser, aber nur bis zu den Steinen. Er ist sehr lieb und brav. Ich bin froh, daß Du mit Stefi u. Freunden fort warst, sonst meinst Du wie schrecklich viel Du ohne sie verloren hättest u. wie eingesperrt Du immer bei mir bist. Gehe nur recht viel aus, nütze es aus. Das Essen ist hier schon sehr italienisch, die ganze Zubereitungsart kennt man bei uns nicht. Ich trinke mittags u. abends Rotwein. Ich kann nicht ins Eden zum essen gehen, da ich hier Vollpension habe.
Nun mein inniggeliebter Karl, oftmals im Tag betrachte ich Dein liebes Bild. Bleibe mir gesund. Du mußt. Ich sende Dir tausend innige Küsse umarme Dich heiß und bleibe immer Deine treue Elisabeth.
Schreibe mir bald und viel.