Arnshausen, Mittwoch (Brief): KAH in Junkersdorf

d. 13. Juli 32.
Mein einzig lieber Karl!
Du gehst mir jetzt so furchtbar ab, daß ich es nicht beschreiben kennst [sic]. Wie schön waren doch die Tage, wo Du bei mir warst! Du bist mein einziges Glück und ohne Dich wäre das Leben ohne jeden Zweck für mich. Das fühle ich jedesmal deutlicher, wenn du von mir fort bist. Was hast Du mir nicht schon alles gegeben und wie arm war ich vorher! Wir müssen bald zusammen kommen, mein Vater muß uns unterstützen u. er versteht uns auch. Diesmal wird meine Mutter den Kopf nicht durchsetzen können. Wie Du ja weißt kann ich den Tag nicht erwarten, an dem ich aus diesem Gefängnis herauskommen und für immer bei Dir sein darf. Hier wirst Du natürlich ganz falsch eingeschätzt, man hält Dich tatsächlich für innerlich tief religiös und ich bekam schon einen Vortrag von meiner Tante, daß ich Dich noch religiöser erziehen müßte, nur schwer gelingt es mir dann manchmal meinen Mund zu halten und die Meinung nicht offen herauszusagen. Wenn Du nämlich nicht da bist, muß ich noch viel mehr über Religion hören. Es ist so scheußlich, wenn man sich immer verstellen mußt [sic], aber tue ich es nicht, dann heißt es: „Früher warst Du auch nicht so.“ Wir dürfen aber damit rechnen, daß wir hier gut unterstützt werden. Sonst geht hier alles seinen alten Gang, natürlich sitze ich viel am Radio. Mein Karl, erhole Dich jetzt noch recht gut, Du hast, wenn Du nach München kommst noch schwere Kämpfe zu bestehen und da müssen die Nerven gut sein. Wenn dem Künstler auch vieles schwerer gemacht wird als anderen Menschen, so hat er auch mehr Recht auf das Errungene stolz zu sein. Habe Mut, und versuche Deine oft niedergedrückten Stimmungen so rasch als möglich zu überwinden. Wie freue ich mich auf den Freitag. Erwarte Dich also am Freitag um 942 h am Bahnhof, sollten wir uns durch Zufall dort nicht treffen, komme dann um 11 h an den Bamberger Dom. Ich hoffe, Du bekommst meinen Brief von heute früh rechtzeitig, da habe ich alles näher geschrieben. Grüße Deine Mutter recht herzlich von mir u. auch Bruder Fritz.
Auf baldiges Wiedersehen am Freitag. Lebe wohl mein lieber Karl, die herzlichsten Grüße u. Küsse von Deiner Dich nie vergessenen Elisabeth.
Auch meine Tante u. H. Pfarrer lassen Dich herzlich grüßen.