München, den 10. Nov. 1938.
Mein lieber, lieber, guter Karl!
Hast Du eigentlich meine Post bekommen? Ich danke Dir für die Schokolade und auch Mama läßt Dir schön danken. Ich esse ja das meiste davon. Richardi freut sich immer ganz besonders und für Dich ißt er dann auch ein paar Bissen noch extra.
Uns geht es gut. Ich war heute früh mit Adolf in der Stadt, er ist gerade sehr nervös. Ich glaube er ist überarbeitet. Nun habe ich eine Bitte an Dich. Versuche doch einmal herauszubekommen, ob Nijinsky noch in Kreuzlingen ist, oder ob er wirklich wieder gesund ist. Ich bin in letzter Zeit nicht sehr weit gekommen, weil ich für die allgemeine Inhaltsangabe von jedem Kapitel eine Mustervorlage von See erwarte. Und der läßt sich zu allem viel Zeit, weil er noch seine andere Haydnsache für den Rundfunk fertig arbeiten will.
Du solltest an die Juryfreien vom kommenden Musikfest schreiben. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Was macht Hermann? Hast Du ihn nocheinmal [sic] getroffen? Die Sache mit der Oper solltest Du nicht so forcieren, wenn nichts daraus wird ist es nicht so schlimm, vielleicht sogar besser.
Mein lieber, lieber Karl, ich möchte Dir nochmals sagen, daß Du meinetwegen nicht eher kommen brauchst, als Du wirklich willst. Ruhe Dich ordentlich aus. Mir ist es lieber, du kommst etwas erholt zurück, als so nervös wie Du abgefahren bist. Das wichtigste ist mir, daß Du lieb wirst und nicht so, wie in den letzten Wochen. Ich freue mich wieder sehr, sehr auf unser Wiedersehen, wir müssen aber auch gegenseitig ruhiger werden.
Ich hab Dich ja so lieb und nur deshalb bin ich bei Dir so empfindlich. Meine innigsten Wünsche begleiten Dich auf allen Wegen, sei tausendmal umarmt und innig geküßt von Deiner Elisabeth.
Morgen gehe ich zum Arzt wegen der Flecken an meinem Arm.