Winterthur, Montag (Brief): E.H. in München

3. Brief (4. Post)
Winterthur, den 20. März 1939.

Liebe Elisabeth, mein lieber Bub.
Wie geht es Euch wohl. Hoffentlich so gut und glänzend wie mir. Ich fühle mich immer so glücklich und frisch!
Ich habe Hermann Albers getroffen. Er entschuldigte sich dass er nicht geschrieben hatte. Frug nach meinem concert [Streicherconcert]. Ich möchte zu Reinhart gehen, denselben zu begrüssen und ihn zu bitten ob er nicht die Güte hätte meine Partitur des Streichorchesters anzuschauen. Das sind demütigungen, obwohl Scherchen weiss dass er nichts versteht…
Ich frug ihn, hörten sie nichts von Haba, da antwortet er mir: ich stehe mit Haba schon länger nicht mehr in Verbindung. Sonst nichts…
Ich erzählte ihm dass ich unbedingt Geld verdienen muss, da sagte er mir, haben sie Aufführungen gehabt, auch nicht das Quartett, nein – erwiderte ich, dann fing er gleich das Thema abschneident [sic] etwas anderes an, und kritisierte sehr scharf Berg…
Ich sagte (ihm ebenfalls das Thema abschneidend) was er mit der Oper beabsichtige. Was er mit Brüssel in Aussicht hat. Ja, meint er, das geht nicht, aber vielleicht wo anders, ja meinte ich dann nur in Winterthur selbst, wo sein eigenes Orchester ist, das ist unmöglich, und plötzlich verabschiedete er sich… Gut! Da beginne ich ebenfalls wieder, wenn ich ihn wieder treffe. Scherchen legt sein Hauptgewicht bei mir auf das Streicherconcert. (Ja das tut nicht weh.) Ich werde Zürich natürlich nicht fallen lassen, im gegenteil. Das züricher Stadttheater führen den „Bürger als Edelmann“ von Moliere – Strauss im kleinen Schauspielhaus auf. Gut, das ist vielleicht für mich wichtig.
Nebenbei wird dieses Jahr in Florenz ein Hindemith aufgeführt (während der Festspiele). Warum nicht Hartmann in Venedig? Hat Dallapiccola schon geschrieben? Nun habe ich zwei Verlage: Obrecht und Rascher beide in Zürich. Darüber schreibe ich, wenn ich etwas weiss.
Ich schreibe Dir wieder wenn ich etwas weiss. Meine lieben Beide, bleibt gesund (Pillen). Ich grüße Euch und ich bleibe stets Euer Freund Kamerad und Geliebter treuer und nie vergessener Karl.
Grüsse bitte alle lieben Angehörigen.