(Brief): KAH in München

Lieber Karl!
Ich will blos feststellen wie die Dinge liegen. – Du schreibst mir am Mittwoch, daß es Mutter sehr schlecht ginge u. daß Du nach Junkersdorf mit dem Zug fährst. Ich bin sehr in angst um Mutter, wie es ihr wohl geht, – Du kannst das nicht so verstehen, weil Du an keinem meiner Eltern so hängst, wie ich an Deiner Mutter. 5 Tage lang, auch am Sonntag laufe ich täglich 2 mal zur Post – nie ist die geringste Nachricht da. Im letzten Brief schriebst Du – Du kämest bestimmt am Sonntag, Montag heim. Da ich nie Nachricht bekam, mußte ich annehmen, daß es Mutter nicht schlechter geht u. daß Du Montag wieder zuhause bist. Papa mußte plötzlich noch 1 Tag nach Garmisch geschäftlich, ich sollte auch mit, doch da ich Dir schon die Zeit meiner Ankunft mitgeteilt hatte, wollte ich es nicht mehr ändern u. fuhr allein heim. Also ich erwarte nachts am Bahnhof, – Du bist nicht da – ich freute mich Dich zu treffen – und jetzt weiß ich nicht einmal mehr, bist Du hier oder in München Junkersdorf. Am Dienstag kommt dann die kurze Karte, „Ich komme heute an“. Sonst schriebst Du nichts, nicht einmal, daß du mit dem Auto kommen wolltest. Ich laufe nun 2 mal zur Bahn. Nichts! Dann kommt heute die Karte, „komme Mittwoch“ wieder sonst nichts. Wieder laufe ich 2 mal zur Bahn. Kann man mir verdenken wenn ich da sehr ärgerlich bin. Wie wärest Du in dem Fall, wenn ich es so machen würde. Zuerst muß ich mich 5 Tage um Mutter ängstigen u. dann nimmst Du Dir nicht einmal die Zeit mir eine etwas ausführlichere Karte über Dein Kommen zu schreiben. Ich fühle mich nicht im geringsten im Unrecht. Der einzige kleine Fehler war vielleicht, daß ich es sofort am Telephon sagte. Es ist immer besser man spricht über solche Dinge zusammen, wenn man sich sehen kann. So jetzt weißt Du wie die Sachlage ist, – jetzt mußt Du sehen, daß die größere Schuld auf Deiner Seite liegt. Du kennst mich, wie ich mich über alles ängstige und nie etwas zu erfahren ist für mich die größte Qual. – Das wirst Du verstehen, – wenn Du auch ein Hitzkopf bist.
Willst Du mich morgen bis 9 h anrufen, nicht später bitte, aber diesmal, ohne wieder einzuhängen!!! Lieber Karl, ich war wirklich sehr erbittert.
Es grüßt und wünscht Dir gute Nacht Deine Elisabeth.

  • Year
  • Undatiert, 1932?