Mittwoch (Brief): KAH in München

Alassio, den 28. April 1937.
Mein über alles geliebter Karl!
Hoffentlich bist du wohl auf und geht es dir gut. Ich denke so oft, mit so viel Liebe an Dich. Bitte erhalte Dich wohl für mich und denke immer, wie notwendig ich Dich brauche.
Nun will ich Dir einiges über mich schreiben. Die Reise verlief ganz gut. Mein Zustand hat sich nachts etwas gebessert und heute ist alles so gut wie in Ordnung. Wir waren bis ½ 8 h früh allein im Abteil, dann kamen für 2 Stunden 2 Damen, dann waren wir wieder allein. Das war natürlich sehr angenehm. Richard hat sich auf der Reise sehr gut aufgeführt, nur ist er bis heute sehr, sehr müde. Ich glaube das macht die Luftveränderung. Vom Sand ist er natürlich begeistert. Gleich das erste Hotel, das ich hier ansah sprach mir in allem so zu, daß ich gleich da blieb. Ich habe 2 nette ineinandergehende Zimmer. Beide haben Balkon mit Blick auf das Meer, fließ. warmes u. kaltes Wasser. Außerdem liegt das Hotel so nah am Strand, daß ich von der Terasse, auf der gefrühstückt wird nur 3 Stufen herunterzugehen brauche und bin am Strand. Das ist in jeder Beziehung sehr angenehm. Das Essen ist hervorragend. Z. B. Gestern Abend: Gemüsesuppe, Artischocken, Zunge mit Kartoffelpüree u. Erbsenpürrée, und Kompott: Heute Abend: Hühnersuppe, Lauchspeise, Huhn mit Kart. u. Salat, Karamelkrem. Mittags bleibt die Zwischenspeise aus, doch ist es auch sehr reichlich. – Hoffentlich knurrt gerade Dein Magen nicht, da hätte ich was schönes angestellt. − Die Pension kostet 35 l. Das Wetter ist herrlich. Strahlende Sonne. Alles blüht hier. Die Gegend ist einfach herrlich. Ich kann mich kaum satt sehen an der Vegetation und an dem Meer. Noch nie habe ich das alles so schön empfunden, wie diesmal. Ich glaube, das habe ich von Dir gelernt, mein bester Karl. Aber Moskitos gibt es auch schon. Die Gäste baden alle schon, doch ich warte noch etwas. Sage Adolf, daß ich heute den Platz, den er zweimal, in Aquarell u. in Öl gemalt hat, entdeckt habe. Ich habe ihn sofort wieder erkannt. Das rote Haus habe ich aber noch nicht gesehen. Freilichtkino soll es hier keines geben, sagte mir der hiesige Portier. Glücklicherweise sprechen hier im Hotel alle deutsch, darum bin ich froh. Jetzt habe ich Dir aber alles erzählt, was es in 2 Tagen neues geben kann. Mein liebster Karl, sei mir nicht böse, daß ich so viel schönes erleben darf, während Du nichts hast, ich wünschte jede Stunde, Dich bei mir zu haben. Bitte, bleibe mir, mein ganzes Leben bist ja du. Ich umarme Dich und bleibe mit tausend Küssen
Deine Dich so innig liebende Elisabeth.
Schreibe mir bald u. ausführlich.