München, Donnerstag (Brief): E.H. in Alassio

Karl Amadeus Hartmann
Komponist, Wilhelmstr.
München, Deutschland.

München, den 6. Mai 1937.
Meine liebe liebe Elisabeth!
Ich schreibe doch lieber mit der Feder, das ist intimer!
Gestern kam die Antwort von Dante Fiorillo. Da ich Redlich traf, hat er mir den Brief übersetzt. Er sagte: den Brief müßen Sie unbedingt Ihren Schwiegervater lesen lassen. Das tat ich auch. Erstens Redlich las den Brief fließend ab – Vater aber gakste und stotterte umher – seine Antwort war: Du hättest halt eine größere Summe vorher verlangen sollen – und nun wenn er „abkratzt“ was dann –??? Pfui Teufel! Wenn Du zurück bist schreibe ich den Brief bzw. die Antwort.
Redlich fährt am Sonntag (den 9. Mai) nach Wien. Ich habe Redlich das Chorwerk: „Gryphius“ das preisgekrönte Werk von Sutermeister [gezeigt?]. Auch er erschrak. Ich habe ihm dann natürlich gleich genügend gesagt über Dubs. Du kannst Dich sicher erinnern, daß Dubs einen so ordinären Brief an Wellesz (Wien) geschrieben [hat]! Nun hab’ ich gleich zu Redlich gesagt: Ich verstünde nicht, wenn ein Mann wie Dubs einen Sutermeister, einen Dilletanten [sic] vorzieht vor Wellesz, das spreche ich Dubs jede geistige Musikalität ab, u.s.w. – u.s.w.
Meine liebe Elisabeth, wie geht es Dir denn? bleib und werde mir nur gesund! Esse! und trinke! Du mußt unbedingt zunehmen. Du kannst unmöglich am Samstag vor Pfingsten nachhause kommen! Ich erwarte Dich frühestens Ende Mai!! Du mußt bleiben – denn jetzt ist es wichtig, daß Du mal richtige Ruhe hast. Ich lasse es nicht zu! Du mußt bis Ende Mai bleiben. Gewiss habe ich Sehnsucht nach Dir, wie gerne hätte ich Dich wieder bei mir. Gar zu gerne hätte ich Dich bei mir – so allein schlafen! niemand in der Wohnung! Ich hab Dich zu lieb und zu gern bei mir. aber: der Verstand muß schon vorherrschen: und Du mußt Dich so ziemlich auskurieren. Also überlege es Dir nicht – sondern bleibe mir! Du mußt schon mir zuliebe, meine Allerliebste gesund werden – wann kommst Du wieder da hinunter! Alle Bekannte schütteln den Kopf, wenn ich sage Du kämst vor Pfingsten – jeder sagt – 4 – 5 Wochen = und das ist für Dich wenig. (((Ach wenn ich nur einen Preis bekäme für Dich – dann kämst Du mir vor Ende Juli nicht rauf.))) Am Dienstag schrieb ich Dir schon daß ich tagsüber gearbeitet hab und abends war Adolf und See bei mir, dann spielten wir 4händig dann um 9½ h gingen wir zum allein Wirt bis 11 h. am Mittwoch war ich zu hause bis 5 h. Dann ging ich zu deinem Papa – vorher traf ich Redlich. Nach Deinem Papa traf ich Mayer – unseren Drucker und Adolf. Meyer lud uns bei sich zum Essen ein um ½ 11 gingen wir nach hause.
Was macht unser Bub!? Mein Lieb – lebe wohl ich küsse Dich innig und umarme Dich fest. Dein aufrichtiger und treuer Krl.