Heute Freitag morgen mein letzter Brief!
Meine über alles geliebte Elisabeth!
Es klingt grotesk – aber als ich heute Donnerstag um ½ 10 h mit dem Zug ankam ging ich gleich nach hause – und fand 2 Briefe! 2 Karten!
Mein treues Weib – ich weinte fast die ganze Nacht durch – ich weinte und weinte und konnte kein Ende finden! Elisabeth – die Nerven haben vollständig versagt! Ich mußte immer fort weinen – die ganze Nacht. Jetzt ist es 4 h morgens und [ich] schreibe Dir den Brief!
Ich habe fürchterliche Tage hinter mir! Tage des Grauens – ich dachte Du hättest mich vergessen! Da kam ich mir so klein vor – so winzig klein. Ich machte mir Pläne – die Musik wollte ich aufgeben – denn es ist doch nicht möglich für mich zu komponieren – Probleme wälzen ohne Elisabeth – dann kam Selbstmord! und noch anderes mehr.
Alles würde ich überstehen – ein[e] Mutter verlieren – alle Brüder verlieren – aber mein teuerstes gut (und das schwöre ich Dir bei meinem Augenlicht) mein alles, meine Seelenspenderin verlieren, wäre für mich mein Tod! Glaube mir, daß meine Mutter, die gewiß mein Alles war, ersetzlich ist; aber Du meine Elisabeth bist gewiß nur meine geistige Lebensexistenz. Ich wäre fertig! Ich habe viele Stunden nachgedacht über meine Mutter und Dich – aber aus reinstem Gewissen sage ich Dir: Du allein machst mir mein Leben wert!!! Du allein gibst mir Kraft zu arbeiten! Du allein mit Deiner Größe stellst meine Mutter in den Schatten. Du fragst nicht nach verdienen! nach sonstigen Kleinigkeiten – wie meine Mutter – oh das weiß ich genau; aber Du grübelst nur in meiner Seele! und hältst mich aufrecht. Du hast bei mir die Stellung der totalen Frau eingenommen.
Ich sehne die Stunden herbei bis Du bei mir bist, dann erst werde ich ruhig – dann erst kann ich arbeiten. Jetzt kann ich nichts tun; nichts arbeiten – nicht denken – immer wieder die Sehnsucht die mich peinigt! O komm! O komm! Gib mir die Ruhe! mein geliebtes Weib! Die Stunden sind so lang – die Stunden dauern ewig! noch 5 Tage! 5 volle Tage!! Schreibe mir jeden Tag jetzt noch – bitte!
Ich möchte Dir noch folgendes schreiben: wenn Du mir nochmals Gratulierst! Wenn ich etwas erreiche so bist Du die Mitschöpferin! Denn nur durch Dich bin ich im Stande zu arbeiten, und Dein fester Charakter gibt mir Kraft!!
Bitte nicht so viel w…! Du weißt warum! Dafür wird es schöner wenn Du bei mir bist – mir schwinden die Sinne beim Nachdenken.
Nach Paris fahre ich nur mit Dir! allein nie! Endweder [sic] fährst Du vom ersten Tag an mit bis zum letzten oder wir beide bleiben zuhause! Entweder oder – ich habe es satt immer jeder allein reisen – nein – andere reisen auch zusammen, oder bleiben allein zuhause!
Zu hause liegen 40 M. wenn Du zurück kommst, und auf der Reise zu Neracher habe ich keinen Pfennig von uns mitgenommen. Alles ist zuhause. Ich habe gespart! Die Wohnung ist in Ordnung (nicht Klavierspielen oder Radio zwischen 1 h – 3 h) (Vorhänge zu) (alles sauber): Frage Deine Mama.
Du schreibst wegen ausgehen – mit Dir will ich ausgehen – mit Stefi und der blöden Bande habe ich wenig Lust mehr – mit Arnold ist es aus. Auch mit Dölze und mir – wie ein entgültiges [sic] Auseinandergehen mit Röhrig. Alles ist Unsinn – die sind ja doch alle falsch – neidig und gemein –!
Ich kann nur eines sagen: o komm! o komm! auf Dich wartet einer, der Dich mit seiner Seele wie mit seinem Leib innig jetzt und immer liebt! Dein treuer Krl.
Schreibe mir Deine genaue Ankunft!
Guten Morgen, mein heißes Lieb. Nun hab ich ein paar Stunden fest geschlafen. Ich küsse Dich zum morgendlichen Gruß. Ich kann Dir nur eines versichern, daß ich die Stunden zähle bis Du kommst.
In heißer Liebe Dein Dir ganz gehörender Karl.
Auf Wiedersehn!
Grüße Resi u. Dididi.
München, Freitag (Brief) E.H. in Alassio
- Date
- 21 May 1937
- Archivalienkategorie
- Briefe