Arnshausen, Freitag (Brief): KAH in Junkersdorf

Geliebter Karl!
Tausend herzlichen Dank für Deinen so lieben, langen Brief, Du weißt nicht wie bitter es war, wochenlang nichts von dem Menschen zu wissen, den man so sehr liebt.
Jetzt bin ich unbeschreiblich glücklich und wie Du ja weißt fürchte ich mich nicht im geringsten vor dem Kampf, den wir noch zu bestehen haben, ja ich führe ihn sogar gerne, und habe das bestimmte Gefühl, daß alles zu einem guten Ende führen wird. Für unsere Liebe ist das alles ja nur gut. Oft fürchte ich, ich könnte Dir später einmal nicht genügend Stütze sein, doch werde ich immer versuchen mein möglichstes für Dich zu tun. Ein großes Glück ist es, daß wir uns auch ohne viel Worte so gut verstehen u. kennen. Ich weiß was ich an Dir habe und möchte, daß Du Dich nicht so allein fühlst, wie du es oft tust.
Dein Erzählen über Deine Arbeiten interessierte mich sehr, doch schriebst Du mir nicht, ob Dich Deine Werke jetzt selbst wieder befriedigen. Es ist tatsächlich wunderbar, wie schnell die Juryfreien in einem Jahr durch ihre Konzerte berühmt wurden. Nur Mut! es geht bald alles gut. Nur eines fürchte ich, Du übersiehst die politische Gefahr doch nicht ganz. Es war immer schon ein kleiner Fehler von Dir alles auf einmal so stürmisch haben zu wollen. Bitte nenne mich nicht undankbar, ich weiß selbst, daß Du vieles meinetwegen tust und schnell berühmt werden möchtest, doch fürchte ich immer, Du schadest eher als nützt uns durch zu radikale Art. Natürlich darf ich jetzt noch nicht viel sagen, da ich Deine Sachen, die Du aufführen willst noch gar nicht kenne. Nur warnen will ich Dich, vorsichtig zu sein. Selbstverständlich in Deine eigenen Werke rede ich Dir gar nicht ein, weil Du der bleiben sollst, der Du von Natur bist und ich weiß, daß Du ein großer Künstler bist. Ich habe nur immer so entsetzlich Angst um Dich. Ich freue mich für Dich, daß Du Deinen Freund wieder einmal gesehen hast u. Du Dich aussprechen konntest über alles. Heute bekam ich von Papa einen Brief, er teilte mir mit, daß ihm Richard erzählt hätte, Deiner Mutter ginge es gar nicht gut, bitte willst Du mir umgehend mitteilen, wie es geht, wenn ich etwas helfen kann, komme ich selbstverständlich. Bitte grüße sie recht herzlich von mir u. ich lasse ihr recht gute Besserung wünschen. Versuche doch, wenn es Dir möglich ist wenigstens am Donnerstag hierher zu kommen, ich möchte gerne abends mit Dir ins Symphoniekonzert gehen, schade, daß Du Montag nicht kommen kannst, ich freute mich so sehr darauf. Die gestrige Reise hierher war entsetzlich. Ich sitze gerade am Radio und höre Rom, sehr schön. Ich lasse jetzt natürlich so viel als möglich den Radio laufen. Ich könnte noch viel schreiben, und zwar über meine Liebe zu Dir, doch läßt sich das schwer ausdrücken. Wie schön wird es sein, wenn wir wieder beisammen sind. Mein lieber Karl, lebe wohl, sei so fröhlich so gut es geht, ich denke immer in treuer Liebe an Dich. Ich möchte Dir ja so viel geben. Gute nacht ich küsse Dich herzlich u. bleibe stets
Deine dichliebende Elisabeth.
Unendlich freute ich mich über Deine Photographie, vielen, vielen Dank dafür. Jetzt soll Scherchen im Radio kommen, bin schon gespannt darauf. Morgen werde ich Schallplatten von Strawinsky hören.