Arnshausen, Montag (Brief): KAH in Junkersdorf

d. 4. 7. 32.
Lieber Karl!
Du bist reichlich schreibfaul, jetzt hast du doch meine Adresse u. könntest mir wenigstens alle 2 Tage einen kleinen Gruß zukommen lassen. Ich habe Samstag auf eine Nachricht ganz bestimmt gewartet, hoffentlich kommt heute etwas.
Bitte schreibe mir sofort, ob Du am Donnerstag oder Freitag kommst, ich muß es wegen des Zimmers u. auch wegen der Konzertkarten wissen. Mir wäre es Donnerstag lieber u. gib mir auch den genauen Zug an. Aber bitte schreibe alles genau. Ich war bis jetzt erst 1 mal in Kissingen, ich bin z. Z. sehr müde, und bleibe fast lieber zu Hause. Die Ruhe tut mir so wohl, einmal keine Streitigkeiten hören zu müssen. Auch fühle ich mich hier mehr zuhause, als bei meiner Mutter. Ich sitze fast den ganzen Tag am Radio. Heute muß ich zum Zahnarzt, wahrscheinlich, muß ich mir eine Goldkrone machen lassen.
Meine Tante weiß alles zwischen uns beiden, Du darfst also ruhig Du zu mir sagen u. wir dürfen uns ganz natürlich geben. Natürlich herrscht hier eine ganze andere Welt u. andere Ansichten wie wir gewöhnt sind u. ganz besonders Du, es ist am besten nicht viel dagegen zu sagen. Ich weiß warum ich das sage, u. ich glaube Du verstehst mich. Es hängt viel davon ab, ob sie sich hier für oder gegen uns stellen. Bitte, komm aber bestimmt diese Woche noch, wir müssen uns endlich einmal wiedersehen u. ich habe vieles mit Dir zu besprechen. Ich vermute, du hast Besuch u. kamst deshalb nicht zum schreiben. Wie geht es der Mutter. Hoffentlich besser. Bitte grüße sie von mir.
Nun auf baldiges wiedersen [sic], tausend Grüße von Deiner Elisabeth.
Eigentlich sollte man ja so einem Schreibfaulpelz nicht so viel erzählen. Grüße auch Deinen Bruder Fritz.