Alassio, Montag (Brief): KAH in München

Alassio, den 10. Mai 37.
Mein lieber Karl!
Dein Brief heute hat bewirkt daß ich am liebsten gleich abgefahren wäre. Es ist nicht sehr rücksichtsvoll mir angst zu machen, ich müsse vorsichtig sein, damit du keine Dummheiten machst. Wie soll man sich erholen können, wenn man immer angst um einen lieben Menschen haben muß. Karl, ich habe keine Ruhe, schon immer bin ich aus diesem Grund um Dich in angst – und erst jetzt. Den ganzen Abend finde ich keine ruhige Minute mehr. Karl, wie kannst Du so etwas tun! Ich bin ganz verzweifelt um Dich. Bitte, bitte bleibe mir. Weißt Du denn nicht, was Du mir antust? Immer, immer in Ängsten sein zu müssen. Karl, Du hast nicht das Recht dazu einen Menschen für immer in das größte Unglück zu stürzen. Ich habe aber das feste Vertrauen zu Dir, daß Du dich mir zuliebe gesund erhältst [sic]. Sonst müßte ich an Deiner Liebe zweifeln. Schreibe mir täglich, daß ich ruhiger werden kann.
Mein lieber Karl, ich habe Papa mit keiner Silbe angedeutet, daß ich deinetwegen heimkommen möchte. Das ist eine reine Vermutung von ihm. Er soll es Dir doch zeigen, wenn er kann. Karl, soweit solltest Du mich doch kennen, daß ich keine solche Dummheit begehe und Papa auf Dich eifersüchtig mache.
Also Karl, ich werde noch nächste Woche hierbleiben, aber nicht länger. Das geht schon aus dem Grund nicht, weil ich kein Geld mehr habe. Wo denkst Du denn hin. Meinst Du diese 390 M dauern ewig? Ich habe schon weit über die Hälfte verbraucht. Weißt Du, gar zu primitiv leben mag ich halt auch nicht. Ich habe mir dieses Eden angesehen. Dort könnte es mir nicht gefallen. Erstens ist die Pension viel primitiver, als wie hier, und das hier ist schon kein Luxushotel. Und dann der Strand in diesem Teil!! Dort sind die Fischer und die Einheimischen, die werfen allen Dreck hin, tote Fischköpfe liegen da, Orangenschalen, Papier u. s. w. das ist alles hier nicht so. Da wird der Strand täglich sauber gemacht. Man braucht nur aus dem Hotel zu treten u. die Liegestühle mit Schirm u. s. w. werden bereit gestellt auf sauberem Sand. Mag ja sein, daß zur Saison wo Adolf war es im Eden besser ist. Weißt Du, lieber habe ich nur 8 Tage aber gut., als wie 6 Wochen u. so einfach. Da könnte ich mich nicht erholen. Bitte sage Adolf nichts hiervon, wir können ja darüber sprechen, wenn ich da bin. Wieso meint er übrigens auf einmal ich könnte mich hier besser erholen als daheim? Also mein lieber Karl, ich bleibe noch nächste Woche. Die Leute hier sagen alle, man könnte mein Aussehen gar nicht mehr erkennen im Vergleich zu meiner Ankunft. Das stimmt auch. Mein Karl Du weißt doch nur zu gut, daß ich für Dich gesund und kräftig werden will. Wenn ich nur ruhig um Dich sein könnte!!! Der kl. Richard ist der Liebling vom Hotel geworden, alle spielen mit ihm u. photographiert wird er am Strand auch unzähligemal. Ich esse u. trinke sehr viel. Der Brief von Fiorillo freute mich sehr. Ich würde Dir raten, das Werk vorerst in Amerika zu lassen, dort ist es vielleicht viel anzufangen. Heini hat mir geschrieben, es geht ihm sehr gut, er wird Dir bald persönlich schreiben. Warst du einmal bei Kozendorfers? Du mußt unbedingt hingehen. Heute weiß ich nichts neues mehr.
Mein Alles, erhalte Dich für mich, ich küsse Dich herzinniglich, überall u. bleibe Deine Dich innig liebende Elisabeth.
Bleibe mir! Bleibe mir! Bleibe mir!

  • Date
  • 10 May 1937