Arnshausen (Brief): KAH in Junkersdorf (geschrieben Mittwoch nachts.)

Mein Karl! Mein größtest Glück!
O Karl, ich bin so todunglücklich, daß ich nicht mit dir fahren darf. H. Pfarrer ist doch auch recht gefühllos, ich muß mich gerade zusammen nehmen, daß ich ihm noch freundlich antworten kann. Warum muß er uns das verpatzen? Meine Tante wäre viel netter gewesen, sie hätte das ruhig auf sich genommen. Wann darf ich einmal ein freier Mensch sein, ohne daß mir jedermann dreinredet. Karl, ich bin heute in einer Stimmung, daß ich laut ausweinen könnte. Wärst Du doch nur bei mir! Noch dazu ist es nachts 11 h und diese Stille macht mich noch trauriger. Ich meine, ich könnte es nicht mehr aushalten vor Sehnsucht nach Dir. –
Ich freue mich mit Dir, daß Dir Deine „Witwe“ so gut glückt, jedes Dir gelungene Werk ist für mich eine große Freude und ich werde noch stolzer auf Dich (wenn das überhaupt noch geht). Aber je mehr die Leute Deine Stärke erkennen, desto größer werden Deine Kämpfe und Deine Sorgen werden. Doch das alles trage ich so gerne mit Dir, ich freue mich sogar darauf einem Menschen, Dir, eine Stütze sein zu dürfen. Durch meine Liebe zu Dir, fühle ich mich stark genug Dir beizustehen. – Ich war nie sehr dafür das textliche Deiner Witwe stark umzuändern sondern mehr die Handlungen. Das ist es was bei den Leuten abstoßend wirkt, weniger die Worte und am wenigsten die Musik, weil sie das eben nicht begreifen. Und ich bin fest überzeugt, keine fünf Personen verstehen das Stück im vollen und ganzen. Hoffentlich mißverstehst du mich nicht, es ist nicht so ganz einfach, das begreiflich aufs Papier zu bringen. Ich glaube jetzt selbst, daß Dir dieses neue Werk Erfolg bringen wird, nachdem es geändert ist u. freue mich darauf, wenn ich auch nicht verstehen will, daß ich noch immer etwas angst vor diesem Abend habe. Doch ich habe Vertrauen auf Dich und weiß, daß Du um unserer Zukunft u. Liebe willen nichts unvorsichtiges unternehmen wirst. Um eines möchte ich Dich noch bitten. Wenn Du nach München kommst sei vorsichtig, daß nichts passiert. Lasse Dich mit keinem Menschen in politische Unterhaltungen ein, da kommt nie etwas gescheites heraus u. sei auch nicht neugierig bei Straßenaufläufen. Karl, ich bitte Dich schone Dich für mich. Willst Du mir das versprechen, worum ich Dich jetzt gebeten habe? Ich komme sonst aus der Angst nicht heraus. Ich komme spätestens am Dienstag heim. Vor mir auf dem Tisch stehen Deine Nelken, sie sind noch in schönster Blüte. Karl, ich glaube nicht, daß eine Liebe noch größer werden kann. Was gäbe ich darum, dürfte ich Dich jetzt an mich drücken, Dich küssen, Dir sagen wie ich Dich liebe. Du wirst jetzt wahrscheinlich schon schlafen. Gute Nacht, schlaf wohl, ich küsse Dich und bleibe in rasender Liebe
Deine (Frau) Elisabeth.
Ich habe eine furchtbare Wut auf Herrn Pfarrer, weil er so wenig Schneid hat, da für mich hinzustehen. Bitte grüße mir Deine Mutter und Bruder Fritz aufs herzlichste.

  • Date
  • 6 Jul 1932