Hampstead, Donnerstag (Brief): KAH in München

Hampstead, den 30. November 1930.
Lieber Herr Hartmann!
Ich habe Ihnen für zwei außerordentlich liebe Briefe zu danken und Sie dürfen mir glauben, dass ich mich immer sehr freue, von Ihnen etwas zu hören. Besonders hat es mich gefreut, dass Sie an meinen Namenstag [19. Nov.] gedacht haben, der, wie immer diese Festtage nicht gerade der Schönste für mich war. Doch hoffe ich, dass ich ihn nächstes Jahr daheim doppelt lustig feiern kann. Seien Sie nicht böse, dass ich so spät schreibe, doch wir dürfen ja nur Samstag und Sonntag schreiben und da ist oft was anderes los. Mit großem Interesse habe ich Ihre Neuigkeiten gelesen besonders über Ihre Oper. Es tut mir sehr leid, dass Sie solche Schwierigkeiten bekommen, doch werden Sie es schon durchsetzen können und dann freut es hernach umso mehr, wenigstens ginge es mir so. Von mir kann ich Ihnen nicht viel Neues erzählen. Je mehr ich die Gebräuche dieses Landes kennen lerne, desto leichter tue ich mich, doch bleibt doch vieles sehr fremd. Im Convent gewöhne ich mich immer besser ein, doch das Heimweh kommt immer wieder einmal zurück und Sie brauchen nicht Angst haben, dass ich nach Deutschland nicht mit Freuden zurückkehre. Wir sehen viele Museen, Galerien und die anderen Sehenswürdigkeiten an. Mit dem Theater hatte ich allerdings ziemlich Pech. Einmal gingen wir in Friederike, da war ich erkältet und konnte nicht mitgehen und einmal versäumte ich Galli-Curci, weil mich eine bekannte dann zum ausgehen abholte. Vorige Woche sahen wir ein Schauspiel von Ch. Dickens an. Die Spieler waren etwas steif, doch sonst war es schön. (Nebenbei, Wagennummer von Patzak 23454.) Auch sah ich schon 2 Nationalfeste der Engländer, wo es interessant war, Ihre Art, sich hier zu geben, zu beobachten. Jetzt habe ich aber wieder zu lange von mir erzählt. Ihr Herr Bruder ist recht treulos, er hat mir noch nicht eine Karte geschrieben. Sagen Sie bitte Ihrer Frau Mutter und Ihren Brüdern herzliche Grüße. Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen den besten Erfolg zu Ihrer Oper und Ihren Stücken und das Sie glücklich durchdringen.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich
Ihre Elisabeth Reußmann.

  • Date
  • 30 Nov 1930