München (Brief): KAH in Straßburg

Mein liebster, bester Karl!
Vielen Dank für Deinen lb. Brief. Einesteils ist es ein Glück, daß Du so viel zu tun hast. Auch ist es doch ein Zeichen von Vertrauen, wenn Dir Sch. so viel tun läßt. Manches verstehe ich allerdings nicht. Sch. wußte doch, daß Donderer nur ein paar Tage kommen kann, warum hat er Dir denn nicht gleich alles gesagt. Das wäre doch rücksichtslos, Dir jetzt Schwierigkeiten wegen der Aufführung zu machen. Soll ich ev. mit Donderer sprechen, daß er versuchen soll es etwas zu verlängern? Bestimmt wird aber doch Donderer sehr wenig verlangen, er ist doch froh, wenn er überhaupt dorthin kommen kann. Ev. soll Papa wenigstens eine Hälfte d. Fahrt bezahlen. Auf jeden Fall muß Dein Stück aufgeführt werden oder irgend etwas anderes von Dir. Das wäre ja noch das schönere, wenn Sch. jetzt auf einmal so daherkommen würde. Zuerst etwas versprechen, dann nicht halten. Mein Karl, da mußt Du hinstehen, da hilft Bescheidenheit gar nichts, so kommt man sonst nicht weiter. Du darfst auch die Sache nicht einfach so weiterlaufen lassen bis es zu spät ist, sondern immerzu machen. Du weißt ja selber, was Du zu tun hast, aber Du darfst nicht nachgeben. Dein Grundsatz muß jetzt sein: „Ich will aufgeführt sein, was auch dazwischenkommen mag.“ Auch versuche dort alle kennenzulernen, nur nicht zurückstehen, das ist ja alles so wichtig. Nur frech sein, so kommt man am besten vorwärts im Leben.o Es liegt an Dir, ob Du von der Tagung viel haben wirst oder nicht. Jetzt habe ich aber viel „Lehren“ gegeben, doch bitte höre etwas darauf, und lach mich nicht aus. Heute bekam ich die Antwort von Rümmelein, er habe die Geschichten [sic] vom Soldaten schon längst fortgeschickt, hoffentlich kommen sie jetzt an. Hast Du die Antig. die Stimmen u. Motette for [für] Choral bekommen? Mein Karl, bedank Dich doch bei mir nicht für so Besorgungen, das ist doch das selbstverständlichste von der Welt u. nur meine Pflicht. Für Dich bin ich doch so froh etwas tun zu können, ich helfe Dir ja sowieso viel zu wenig. Bitte strenge Dich doch nicht so sehr an, Du wirst ja noch krank. Sei nur klug und vorsichtig. O wie gerne wäre ich bei Dir. Nur wieder einmal aussprechen können, mit einem Menschen der einem alles ist. Hier fühle ich mich so entsetzlich allein, ich verstehe meine ganze Umgebung nicht. Auch Papa, wenn er nur nicht so entsetzlich materialistisch wäre, kein Ideal – nichts. Nur Geld – Geschäft und wieder Geld – Geschäft. Mag sein, daß ich auch Schuld habe, daß ich ihn so wenig verstehe. Und so geht es mir mit den meisten Menschen. Nur mit Dir kann man vernünftig reden. Mama jammert den ganzen Tag, daß ich so wenig in d. Universität gehe usw. Doch, wenn ich an Dich denke ist alles gut. Hier ist nichts los. Jetzt gehe ich manchmal zu baden bei der Hitze. Ende nächster Woche fahre ich vielleicht auf 8 Tage nach Freising. Ich bin froh, wenn Adolf wieder zu Dir kommt. Bitte esse auch nicht zu schlecht. Nächste Woche schicke ich noch Geld.
Mein lieber, guter Karl, wie freue ich mich auf unser Wiedersehen. Bleib gesund u. froh. Ich küsse u. umarme Dich u. bleibe Deine dichheißliebende Elisabeth.
o Verbindungen sind gerade für Deinen Beruf so wichtig. Sei aber bei einer Freundschaft vorsichtig, du weißt wie mißtrauisch ich bin. Du bist schon manchmal reingefallen.
Bitte entschuldig diese Schrift, ich wurde alle Augenblicke ans Telefon gerufen.

  • Jahr
  • Um den 8.08.1933