(P: Strasbourg), Sonntag (Brief mit Umschlag): E.R. in München (K: 23)

Meine liebe Elisabeth. Mein Liebste.
Nun es gäbe allerhand zu erzählen. Der große Eindruck: Ich bin sehr enttäuscht.
Doch ich möchte vorsichtig sein – vielleicht bin ich schuld daran? Kann leicht sein – ich lebe zur Zeit in einer großen Depression. – Ich muß arbeiten – ja ich muß arbeiten. Scherchen will das Fest groß aufziehen. Gestern kam Wladimir Vogel – Bartok kommt ebenfalls. Ich glaube bestimmt – das eigentliche Fest wird grandios – also 7 − 16 August. Aber dann gleich nach München – rasch – – – –
Die Arbeitszeit ist von 8 h – 1 h von 2 h – 6 h von 8 h – 11 h – also 12 Stunden pro Tag. Jeder bekommt ein Referat: ich habe 1.) Neue Möglichkeiten – und Spielmöglichkeiten der Blechblasinstrumente – 2.) Tempoanalyse bei der klassischen Musik! Es kommt jetzt aber darauf an – wie das gemacht werden soll. Scherchen arbeitet wie toll. Die Menschen – bzw. die Schüler 99 prozent unangenehm. Mehr will ich bis jetzt nicht schreiben über diese Angelegenheit.
Straßburg selbst Teuer! Teuer! Teuer! Zum Beispiel – ich such ein Zimmer – 300 Fr. 400 Fr. Nein – ich gehe – ich gehe in das Studentenheim – nein Deutsche nehmen sie nicht. – Erst gestern abend bekam ich ein Zimmer – 300 Fr. Aussicht in alten Hof nichts bedeutendes – aber sehr reinlich. Heute Sonntag ziehe ich ein – zwei Nächte mußte ich im Hotel übernachten – das Essen – durchschnittlich 9 – 10 – 12 Fr. – also 1.50 M – 1.70 – 2 M irrsinnig!!!
Meine Noten sind gefunden worden. Ich freue mich riesig auf die Konzerte. Sind nicht viel deutsche Komponisten zur Aufführung. Schicke mir meine Partitur „Antigone“ und „Motette für Chor“ – allerdings liegt die bei uns zu haus auf dem Flügel – oder Grammophon – oder auf dem kleinen Regal. Ist keine Reinschrift – also die ganzen Blätter nimm. Gell viel Arbeit – Mein Lieb!!
Ich wohne Fischerstaden – No 8 bei Frau Hummel
Oh Elisabeth wie schön ist’s bei Dir
Meine Arme lege ich um Dich und küsse Dich inniglich Dein Karl.
Bald schreibe ich Dir – schau mal nach wie es Richard geht. Mutter soll mir schreiben!!!!!!!! Grüße Vater herzlichst von mir. Ich lege Dir 2 Zeitungsausschnitte bei, schicke einen an Erika Schraube, Agnes Bernauerstraße 103 (steht im Telefon-buch)
Fischerstaden − No 8 bei Frau Hummel

  • Date
  • 16 Jul 1933