München, Samstag (Brief): E.H. in Alassio

München, 8. Mai nachts 1937.
Mein Lieb, den heutigen Brief widme ich nur einer Sache. Es ist traurig, dass man Erwachsenen Menschen so etwas schreiben muß.
Erstens: „Mein lieber Karl, es kommt gar nicht in Frage, daß ich länger bleibe. Ich will zu Dir…
Zweitens: Dein Vater erzählt mir am Telefon Du willst nach hause wegen mir…
Elisabeth – ich glaube Du spinnst!! Wie alt bist Du?!
Mir fehlen die Worte. Ich wollte erst einen groben Brief schreiben und Dir die Meinung schreiben – aber es ist besser ich versuch es mal erst mit Güte!!!
Elisabeth bedenk was hat die Reise bis jetzt Geld gekostet?! bedenk doch, wie krank warst Du?! bedenk doch wie mager schaust Du aus?!
Um Gotteswillen bleib doch bis Ende Mai!! Nicht wegen mir – nein nein und wieder nein. Du mußt erst beginnen mit der Erholung. Du bist ja ein l e b e n d e r L e i c h n a m!
Bitte rege doch einen Menschen nicht durch Eigensinn auf – ich bin ja aus dem Gleise vollständig geworfen – ich kann ja nicht arbeiten! Ich verlange! Du mußt bleiben ich schwör’s Dir, bei[m] Leben Deines Kindes (Du weißt ich bin etwas Abergläubisch) ich mache ein[e] Dummheit! Elisabeth scherze nicht! Sei vorsichtig!
Also mein Lieb – Fräulein Resi mit Richard kommt am 15. Mai und Du genau 14 Tage später, auch an einem Samstag am 29. Mai – das frühestens! (((es sollten unbedingt 6 Wochen sein))) aber ich lass mich auf den 29. Mai ein! Du mußt bedenken: der Körper stellt sich jetzt erst auf den Aufbau um, doch das weißt Du selbst alles genau.
Adolf sagte das sei heller Wahnsinn, wenn du jetzt schon kämest! Mein Lieb, Du schreibst mir einen Brief den auch Deine Eltern lesen können: du fühlst [Dich] noch etwas schwach! Doch die Luft tut Dir so gut. (((das ist ja auch alles wahr!))) Du kannst ja noch gar nicht erholt sein. Ausgeschlossen! Essen Essen, Trinken, Trinken! Ruhe. Ich schreibe Dir jeden Tag! Alles was neues gibt!!!
Das Wetter hier bei uns ist schrecklich: 2 Stunden Sonnenschein dafür 4 Tage Regen! In Junkersdorf ist es etwas besser, viel auch nicht: die See, mein Alles, die See-luft – ach, so was ist unbezahlbar. Wenn Du wieder da bist – beginnt wieder die Hetzjagd! Nein – nein das ist unmöglich und wenn du mich lieb hast, so bleibst Du und sieh zu, daß du etwas runder wirst. Elisabeth glaube mir, und das weißt Du genau, ich liebe Dich immer, so – oder so – Dein fester Charakter macht mich fest in unserer Liebe. Du weißt genau, wie wir zwei zusammengewachsen sind. Ach meine Beste aber bleibe und werde gesund dann gibt es wieder bei uns Feste! Was für Feste! Aber Gesundheit ist das Wichtigste.
Kümmere Dich bitte nicht um mich. Ich gehe nicht unter. Oh Gott – kümmere Dich bitte um Dich selbst. Essen – trinken – ruhen und genießen bis 29. Mai.
Sei doch froh in dieser herrlichen Gegend! Es sind doch herrliche Menschen! Wann kommst Du wieder dort hinunter! Genieße!
Ich hoffe, daß ich nicht umsonst schrieb! Elisabeth, mein Lieb, ich bitte Dich bleib!! Und glaube mir, daß ich diesen Brief um reiflicher Überlegung geschrieben habe.
Komm – ich reiche Dir die Hände – ich küsse Dich fest
ich bleibe stets Dein dankbarer aufrichtiger und treuer Krl.

  • Date
  • 8 May 1937